Peter R. Neumann zum Rechtspopulismus: Parteien müssen liefern

Forscher zum Rechtspopulismus:Neumann: Demokratische Parteien müssen liefern

von Lotar Schüler
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In Europa und den USA gewinnen Rechtspopulisten massive Unterstützung. Der Extremismusforscher Peter R. Neumann warnt vor Gefahren - und sucht nach Lösungswegen.

Über dem Bundestag mit seiner gläsernen Kuppel hängen dunkle Wolken. Über jedem der vier alten Türme wehen die deutsche und europäische Flagge.

Wie Rechtspopulisten in Europa und den USA gezielt die Demokratie untergraben, analysiert Peter R. Neumann in seinem Buch. Wir sprechen mit ihm.

04.09.2025 | 9:29 min

Überall in Europa und den USA gewinnt Rechtspopulismus an Boden. Massiv gewinnen rechtsextreme Parteien Unterstützung, besetzen Parlamente und gefährden dadurch die liberale Demokratie. Ihr Ziel: das schrittweise Aushöhlen demokratischer Institutionen, um eine eigene Agenda durchzusetzen. So formuliert es der Extremismusforscher Peter R. Neumann vom King's College London im Gespräch mit der 3satKulturzeit.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hätten dabei gerade in Deutschland rechtspopulistische Parteien lange Zeit einen schweren Stand gehabt. "Natürlich wegen der deutschen Vergangenheit, die haben meistens nicht lange durchgehalten", so Neumann.

Peter Neumann, Terrorismusexperte im Gespräch bei der ZDF-Sendung Moma am 17.02.2025

Extremismusforscher Peter R. Neumann.

Quelle: ZDF

Rechtspopulisten im Aufwind

Inzwischen aber liege die AfD bei dem Durchschnittswert, den auch andere rechtspopulistische Parteien in Europa haben. Für Neumann liegt das auch an Fehlern, die demokratische Parteien vorher begingen. Sie hätten beispielsweise früher erkennen müssen, welche Bedeutung die sozialen Medien gewonnen haben. Bis heute seien da demokratische Parteien nicht wirklich präsent und würden auch nicht gut kommunizieren.

Bei vielen Themen hätten demokratische Regierungen in der vergangenen Zeit nicht Handlungsfähigkeit bewiesen. Neumann wird deutlich:

Deswegen finde ich schon, so sehr man die Rechtspopulisten kritisiert, auch die demokratischen Parteien müssen sich am Riemen reißen und müssen auch bei den Themen liefern, wo den Leuten der Schuh drückt.

Peter R. Neumann, King's College London

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Demokratische Parteien in der Pflicht

Dennoch hofft Neumann auf die Politikerinnen und Politiker der Gegenwart, denn man habe ja keine besseren im Angebot. Die Situation sei brenzlig - und wenn Rechtspopulisten an die Macht kommen, dann würden sie das System umbauen. In Ungarn etwa sei die Demokratie Schritt für Schritt so lange ausgehöhlt worden, bis allein Rituale übrig geblieben seien.

Deswegen sei es so wichtig, dass die Politik bei vielen Themen ein Gefühl erzeuge, es gehe wieder voran - dass man Probleme lösen könne, ohne Radikale an die Macht zu bringen. Politik und ihre Vertreter zu kritisieren, sei gleichwohl schwierig - soziale Medien etwa seien vor allem dahingehend konstruiert, Empörungswellen hervorzurufen - es sei demzufolge immer schwieriger, Gedanken auszudrücken, die nicht allein ein Schwarz-Weiß-Denken darstellten.

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Mit dem Gefühl des Kontrollverlustes auseinandersetzen

Außerdem sei es wichtig zu verstehen, dass 50 Prozent der jungen Menschen ihre politischen Informationen fast ausschließlich aus diesen sozialen Medien bekämen. Daran würde es bei etablierten Parteien aber oft noch haken. Beispielsweise könne man beim Thema Migration viel stärker die Widersprüche der AfD darstellen und aufzeigen, warum deren Politik nicht durchführbar sei. Für Peter R. Neumann ist es wichtig, die Themen aufzugreifen, bei denen Menschen einen Kontrollverlust empfinden. Er stellt fest:

Man muss Handlungsfähigkeit beweisen auf demokratische Art und Weise. Man muss vor allem handeln und tatsächlich den Leuten das Gefühl geben, dass der Staat wieder die Kontrolle zurückgewinnt, dass es möglich ist, auch tatsächlich Probleme zu lösen.

Peter R. Neumann, King's College London

Lotar Schüler ist Redakteur bei 3satKulturzeit.

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